Ein Bericht von Dr. Michaela Trautsch, die den Einsatz als freiwillige Hilfskraft das erste Mal begleitet hat.
Veria
Anfang Mai war es soweit, ich flog mit der TierInsel-Umut Evi e.V und dem Tierärztepool nach Veria, in der Nähe von Thessaloniki zu einer Kastrationsaktion. Von den „Mitstreitern“ wurde ich schon vorgewarnt, dass es dort ein hartes Pflaster sei und ich war auf einiges gefasst, doch meine Befürchtungen wurden tatsächlich noch übertroffen. Schätzungen gehen von 5000 Straßenhunden im Großraum Veria aus.
Das Team war super, alle sehr engagiert und mit vollem Einsatz dabei. Nachdem das routinierte OP- Team die gebrachten Tiere narkotisiert und operiert hat, war es meine Aufgabe, im Aufwachbereich die Tiere zu versorgen. Dazu gehörte: wiegen, auf Parasiten zu behandeln, Ohren, Zähne und Augen kontrollieren, evtl. Blut entnehmen für Schnelltests auf Mittelmeerkrankheiten und ein genereller Gesundheitscheck. Alles wurde auf Karteikarten eingetragen und danach durften die Hunde in ihre Boxen zurück, bis sie wieder abgeholt, bzw in ihr Revier auf die Straße zurückgebracht wurden. Die Nachbehandlung von Tieren, die länger im Tierheim bleiben mussten, fiel auch in meinen Aufgabenbereich. Damit war ich 10 Stunden pro Tag gut beschäftigt und fiel nach dem Abendessen todmüde ins Bett.
Die lokalen Tierschützer sorgten stetig für Nachschub an zu kastrierenden Straßentieren, ohne sie wäre so eine Aktion nicht möglich, da sie die Tiere vor Ort kennen und einfangen können. Ihr Einsatz ist bewundernswert, sie haben meist selbst nicht viel Geld, kümmern sich aber das ganze Jahr um die Straßentiere und nehmen oft die Ärmsten von ihnen selbst auf.
Leider gibt es immer wieder viele Welpen, die an Parvovirose erkranken und die hygienischen Bedingungen und die Bereitschaft, einfache Hygieneregeln wie Schutzkleidung zu tragen, ist im Tierheim bei den Pflegern nicht vorhanden. So starb auch bei diesem Einsatz starb ein ganzer Wurf Welpen an Parvovirose (siehe Titelbild, keiner der Welpen hat überlebt).
Einfache Grundvoraussetzungen, wie beispielsweise täglich Wassernäpfe reinigen und wieder mit Wasser auffüllen, werden trotz genug Personal nicht erledigt. Entweder die Näpfe waren leer oder komplett grün mit Algenbewuchs.
Die Hunde sind im Tierheim in betonierten Zwingern untergebracht, teilweise mit Parasiten übersät und verfilzt. Den meisten Pflegern ist das gleichgültig, sie sitzen lieber vor dem Tierheim, unterhalten sich, rauchen und trinken.
Einige stark verfilzte Hunde konnten wir zwischendrin scheren und baden, aber bei 150 Hunden war das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es sind vorwiegend große Hunde, manche haben den Luxus und dürfen in einer Gruppe leben, andere sitzen den Rest ihres Lebens in Einzelhaft.
Problematisch ist auch der bürokratische Aufwand, der vom Gesetz gefordert wird, da er sehr zeitintensiv ist. So verbringt die von der Stadt (die Arbeitsverträge laufen nur über 8 Monate und aktuell ist diese Stelle erneut nicht besetzt) angestellte Tierärztin mehr Zeit mit Bürotätigkeiten, als mit ihrer eigentlichen Aufgabe.
Der Lichtblick in diesem ganzen Wahnsinn ist das Team, jeder packt mit an und auch wenn die Nerven manchmal arg angespannt sind, ist die Zusammenarbeit gut.
Letztendlich hat irgendwie jeder ein paar Lieblinge in dieser Flut aus Tieren, die einem besonders ans Herz gewachsen sind. Das sind die „Happy Ends“, sei es, dass man ein Tier akut behandeln konnte, dass sonst keine Hilfe bekommen hätte, oder man findet eine Pflegestelle. Im besten Fall findet das Tier ein Zuhause in Deutschland. Drei dieser Glückspilze durften mit uns nach Hause fliegen.
Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, aber durch die Kastrationen wird noch mehr Tierleid verhindert und für einige Tiere kann man die Weichen für ein besseres Leben stellen.
Ein gutes Bespiel dafür, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, ist „Bobby“. Er saß im shelter in einem erbarmungswürdigen Zustand, die Haut übersät mit Krusten, blutige Ohren und vereiterten Augen. Als erstes haben wir ihn gebadet und auf Mittelmeerkrankheiten getestet. Leider hat sich der Verdacht bestätigt: Akuter Leishmanioseschub. Auch der Ehrlichiose und Herzwurm-Test waren positiv. Eine Kastration in diesem Zustand kam nicht in Frage. Anfangs wollte er gar nicht aus seiner Box, aber er fasste schnell Vertrauen und ging mit mir schwanzwedelnd kurze Runden Gassi. Mittels einer Spende konnten wir das teure Leishmaniosemedikament besorgen. Allerdings ist die Medikamentengabe im Tierheim nicht zuverlässig. Zum Glück nahm ihn eine lokale Tierschützerin vor Ort in Pension. Dort bekommt Bobby jetzt seine Therapie gegen alle drei Erkrankungen, wird regelmäßig dem Tierarzt vorgestellt und gepflegt. Vor einigen Tagen kam dann der Lottogewinn für Bobby, Doris gab mir Bescheid, dass er Interessenten in Deutschland hat. Aktuell läuft die Platzkontrolle und ich drücke ganz fest die Daumen für ein Happy End.
Ich kann allen, die sich hier engagieren nur meinen größten Respekt zollen, ich fand es psychisch und körperlich sehr anstrengend, obwohl ich nicht zart beseitet bin. Man muss leider auch viele Tiere zurücklassen, ohne ihnen eine Perspektive bieten zu können. Aber für einige verbessert sich ihr Leben, so muss man in kleinen Schritten denken und jedes gerettete Leben zählt.
Auch in dem Wissen, dass die TierInsel-Umut Evi e.V. und der Tierärztepool nicht aufgeben und die Situation im shelter nach und nach verbessert wird (Schutzhütten, Isolierung der Schlafhäuser, verbesserte Wassernäpfe, hoffentlich dauerhafte Parasitenprophylaxe und bauliche Veränderungen), sollte man diese Aktion unterstützen, entweder finanziell oder als Helfer vor Ort.
Eure Micha